Rock Journal
Plattencheck

Plattencheck: Dark Chapel – Spirit In The Glass

Die amerikanische Band Dark Chapel veröffentlichte heute, am 28.02.2025, ihr Debütalbum mit dem Titel Spirit In The Glass – kaum zu glauben, dass es sich dabei tatsächlich um ein Erstlingswerk handelt!

Sänger und Gitarrist Dario Lorina beschreibt das Album selbst als den „Höhepunkt aller künstlerischen Einflüsse, ob musikalisch oder anderweitig“ – eine selbstbewusste Aussage, die das Album aber doch sehr gut beschreibt. Die Platte vereint musikalische Präzision und kreative Spielfreude mit dem Geist des guten alten Hard Rock und Heavy Metal – und das im Jahr 2025. Schon die Einordnung in ein bestimmtes Genre fällt beim Hören schwer. Sind sie nun Rock, Metal oder doch etwas dazwischen mit Einflüssen des Grunge? Der Gesang und die Stimme von Dario Lorina erinnern mich klanglich und vom Mixing her tatsächlich etwas an Kurt Cobain, während er an bestimmten Stellen auch Klänge in Richtung Black Sabbath aufweist. Seine leicht verwaschene, raue Stimme wird instrumental von harten und zugleich melodischen Gitarrenklängen untermalt, was dem Sound eine ganz eigene Note verleiht.

Bereits beim Hören des ersten Songs Afterglow stelle ich fest: Die Musik klingt völlig anders, als ich es anhand des Album-Artworks erwartet hätte. Das düstere Cover, geprägt von einem bedrohlich wirkenden Glasauge, das den Betrachter direkt anstarrt, ließ mich nicht auf eine derart „bunte“ musikalische Vielfalt schließen. Afterglow eröffnet das Album mit einem kraftvollen Riff und treibenden Drums. In der Mitte durchbricht ein Rhythmuswechsel das Schema, bevor der Song mit einem eindrucksvollen Gitarrensolo und Melodiewechsel seinen Höhepunkt erreicht.

Für mich persönlich ist Spirit In The Glass eine echte Überraschung und eine willkommene Abwechslung zu den meisten anderen Neuerscheinungen. Die Band beweist, dass der Rock- und Metal-Sound der 80er- und 90er-Jahre (wie auch immer man ihn klassifizieren möchte) auch 2025 noch mit musikalischem Feingefühl aufleben kann. Ihr Sound wirkt fast schon nostalgisch, aber auf eine erfrischend authentische Weise, die sich zeitlos anfühlt, statt überholt. Die einzigartige Stimmfarbe des Sängers verleiht dem Album eine besondere Atmosphäre. Seine leicht verwaschene, raue Stimme trägt eine zugleich rohe und verträumte Qualität in sich. Besonders in den Passagen, in denen mehrere Gesangsspuren übereinandergelegt werden, entfaltet sich eine fast schon hypnotisch-melodische Wirkung, die den Songs eine schwebende, nostalgische Tiefe verleiht.

Alle Songs auf dem Album fügen sich zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen, heben sich jedoch durch besondere Elemente und individuelle Nuancen voneinander ab. Jeder Track scheint seinen eigenen, persönlichen Twist zu besitzen. Nach den ersten fünf Songs, die mit kraftvollen Riffs, treibenden Drums und melodischen Umschwüngen überzeugen, folgt in der Mitte des Albums plötzlich ein unerwarteter Moment der Ruhe: die Ballade Dead Weight.

Dieser Song schlägt eine völlig neue Richtung ein und sorgt für einen Gänsehautmoment. Die gefühlvolle Klavierballade überzeugt durch ihre schlichte, aber tiefgehende Komposition. Nur das Klavier und die Stimme des Sängers stehen im Mittelpunkt – roh, zerbrechlich und voller Emotion. Der Text beschreibt das Gefühl, von alten Schmerzen und Erinnerungen belastet zu sein, die einfach nicht verschwinden wollen. Das „dead weight“ steht für die Last der Vergangenheit. Die wiederholte Zeile „You’ve gone to stay“ spricht von einem Verlust, der endgültig ist und nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Hier zeigt die Band eine ganz neue Facette ihrer Musikalität und beweist, dass sie nicht nur mit Härte, sondern auch mit leisen Tönen berühren kann. Dead Weight ist damit nicht nur eine Verschnaufpause im Album, sondern ein echtes Highlight, das lange nachhallt.

Offenbar reicht eine Ballade aber nicht aus, denn direkt danach folgt Dark Waters – diesmal jedoch getragen von sanften Gitarrenklängen. Statt Klaviermelodie und fragiler Intimität setzt dieser Song auf eine warme, atmosphärische Gitarrenbegleitung, die eine ganz eigene, melancholische Stimmung erzeugt. So bietet die Band nach der emotionalen Tiefe von Dead Weight eine weitere, aber doch anders gestaltete ruhige Facette ihres Sounds.

Gegen Ende des Albums wird die musikalische Stimmung des Albums etwas ruhiger und rockiger, dabei aber keinesfalls weniger vielfältig. Gravestoned Humanity und Bullet in Our Chamber sorgen für einen stilvollen und gekonnten Abschluss des Albums. Insgesamt ist das Album von einer düsteren und introspektiven lyrischen Stimmung geprägt, die Themen wie Verlust, emotionalen Schmerz und Vergänglichkeit anspricht. Die Texte beschäftigen sich mit innerer Leere, der Last der Vergangenheit und dem unerreichbaren Wunsch nach Erlösung. Bilder von Zerfall und Dunkelheit, wie der Corpse Flower und Dead Weight, verstärken das Gefühl von Isolation und unerfülltem Schmerz.

Abschließend lässt sich sagen:

Spirit In The Glass ist ein faszinierendes Debütalbum, das mich persönlich absolut überzeugt hat! Dark Chapel gelingt es, den Rock- und Metal-Sound der 80er- und 90er-Jahre auf eine frische, kreative Weise zu modernisieren, ohne dabei seine Wurzeln zu verleugnen. Mit einer Mischung aus kraftvollen Songs und emotionalen Balladen zeigt die Band ihre Vielseitigkeit und ihre Fähigkeit, unterschiedliche Atmosphären zu erzeugen. Das Album ist tiefgründig und durchzieht eine düstere Stimmung, die ihren Hörer in ihren Bann zieht. Ein beeindruckender erster Schritt, der auf mehr hoffen lässt.

Text: Melina Thomaßen