Rock Journal
Interviews

Im Interview: Sperling – Natürlich gibt’s auch sonst immer wieder Phasen, in denen es schleppend läuft oder man sich ausgebrannt fühlt

Stellt euch bitte vor (Name + Instrument, Heimatort, Bandname etc.)

Hi, ich bin Jojo – Sänger und Bassist der Band Sperling. Wir sind zu viert: Malte an der Gitarre, Luca am Cello und Josh an den Drums. Wir kommen aus einem ländlichen Gebiet in der Nähe von Koblenz und machen musikalisch eine Mischung aus Rap und Post-Hardcore mit Indie- und Midwest-Emo-Einflüssen.

Seit unserer Gründung 2013 haben wir eine EP, mehrere Singles und zwei Alben veröffentlicht – zuletzt „Menschen wie mir verzeiht man die Welt oder hasst sie“ im Februar 2024. Inhaltlich drehen sich die Texte oft um mich selbst und mein Umfeld – es geht um Depressionen, Selbstzweifel, Ängste, aber auch um Hoffnung und den Versuch, an sich zu arbeiten.

Musikalisch verbindet unser Sound anspruchsvolle Raptexte mit schweren Post-Hardcore-Elementen, erinnert dabei an Artists wie Fabian Römer, FJØRT oder Casper. Durch das Cello haben wir ein eher ungewöhnliches Instrument in der Besetzung – das sorgt für emotionale Tiefe, aber auch für eine besondere Ästhetik in lauteren Songs. Bei uns gibt’s treibende Drums, Gitarrenwände – aber auch ruhige, fast zerbrechliche Momente.

Wie habt ihr euch als Band überhaupt zusammengefunden – war’s Zufall oder Schicksal?

Ein Teil der Band kennt sich noch aus Schulzeiten und kleineren Musikprojekten danach. Richtig zu Sperling wurde es aber erst, als wir gemerkt haben, dass wir Bock darauf haben, unsere verschiedenen musikalischen Einflüsse einfach zu kombinieren. Das klang anfangs noch roh und unfertig, aber es war spannend zu hören, was da entsteht.

Es hat eine Weile gedauert, bis sich unser Sound gefestigt hat – aber es war ein schöner Prozess: mit eigenen Songs zu wachsen und sich selbst immer wieder mit neuen Ideen zu überraschen.

Was war bisher euer größter gemeinsamer Meilenstein – und was steht als Nächstes an?

Es gab viele große und kleine Meilensteine – aber wenn ich mich festlegen müsste: beide Alben und die dazugehörigen Touren. Ein Album zu machen ist immer mit viel Arbeit und innerem Druck verbunden – man will Erwartungen erfüllen, vor allem die eigenen. Beim ersten Album hatten wir kaum Erfahrung und keine Ahnung, wie viel Aufwand da wirklich hintersteckt. Zum Glück hatten wir großartige Unterstützung von unserem Label UNCLE M und Nova Günther, die uns überall unter die Arme gegriffen haben.

Ein weiterer Meilenstein waren definitiv die beiden Touren, die wir spielen durften. Es war völlig verrückt zu sehen, dass tatsächlich Leute zu unseren Shows kommen – auch in Städten, in denen wir vorher nie gespielt hatten. Der Austausch mit den Menschen vor Ort war super schön, und für unsere erste Headline-Tour sind wir mehr als zufrieden.

Als Nächstes steht eine Co-Headliner-Tour mit unseren Freund*innen von Kind Kaputt an – im Oktober 2025 geht’s los. Parallel dazu liegt unser Fokus dieses Jahr vor allem auf dem Songwriting.

Was waren bisher die größten Herausforderungen, die ihr meistern musstet?

Wie für viele andere Bands war auch für uns die Corona-Pandemie ein harter Einschnitt – vieles wurde ausgebremst, Pläne mussten über den Haufen geworfen werden. Trotzdem haben wir die Zeit gut genutzt, um Songs zu schreiben und Releases zu planen. Sogar ein paar Onlineformate konnten wir mitnehmen – etwa eine OFFSTAGE-Auszeichnung vom WDR Rockpalast.

Natürlich gibt’s auch sonst immer wieder Phasen, in denen es schleppend läuft oder man sich ausgebrannt fühlt. Aber solche Zeiten werden immer wieder von kleinen Erfolgen abgelöst – wie einer ausverkauften Show oder einem neuen Song, der plötzlich alles in Gang setzt.

Wie würdet ihr euren Sound jemandem beschreiben, der noch nie von euch gehört hat?

Unser Sound ist eine Mischung aus verschiedenen Einflüssen: Ich komme eher aus dem US-Rap, Josh und Malte aus dem Post-Hardcore mit Indie-Elementen, und Luca – als Cellist – natürlich aus der Klassik. Daraus entsteht etwas Eigenes: Emotionale Cellolinien treffen auf traurige Geschichten, laute Drums auf wütende Gitarren.

Es ist sicher keine leichte Kost, kein Nebenbei-Sound – aber wenn man sich darauf einlässt, entdeckt man einen Genremix, der leise und laut kann, und vielleicht auch ein kleines Stück von sich selbst.

Welche Einflüsse prägen eure Musik? Gibt es Bands oder Künstler, die euch besonders inspiriert haben?

Ich persönlich komme, wie gesagt, aus dem Rap. Eminem hat mich sehr früh geprägt – das war lange mein größter Einfluss. Im deutschen Bereich würde ich Fabian Römer und Kummer nennen, besonders wegen ihrer Themenwahl und dem Storytelling.

Jeder von uns bringt eigene musikalische Vorbilder mit – das beeinflusst uns mal mehr, mal weniger. Am Ende fließt alles zusammen, und jeder gibt seinen persönlichen Teil dazu – daraus entsteht dann etwas, das sich für uns richtig anfühlt.

Inwieweit fließen persönliche Erfahrungen in eure Musik ein?

Sehr stark. Vor allem in die Texte. Ich arbeite zum Beispiel als Pflegekraft – da begegnet man im Alltag vielen Themen, über die man nicht gern spricht. Auch wenn es oft unbewusst passiert, fließen solche Erfahrungen direkt in die Musik.

Ich beschäftige mich viel mit meinem Umfeld, mit mir selbst. Beim Schreiben geht es oft darum, herauszufinden, was gerade in mir vorgeht – was ich fühle. Meistens hilft es mir, mich hinzusetzen und die Gedanken einfach aufzuschreiben. Und genau das spiegelt sich dann auch in den Songs wider.

Gibt es Themen, über die ihr bewusst nicht schreiben würdet?

Alles, was Menschen ausgrenzt oder angreift, ist für uns tabu. Hass, Diskriminierung – sowas findet in unserer Musik keinen Platz.

Ansonsten thematisieren wir viele Dinge, die nicht unbedingt leicht sind, uns aber am Herzen liegen – wie psychische Gesundheit, Depressionen, Verlustängste oder Selbstzweifel. Gleichzeitig gibt es auch Songs über Liebe, Hoffnung, Freundschaft. Am Ende schreiben wir über das, was uns geprägt hat – positiv wie negativ.

Letztes Jahr kam euer zweites Album raus. Wie unterschied sich der Entstehungsprozess vom ersten Album?

Sehr deutlich. Beim ersten Album haben wir viel im Proberaum geschrieben, eher intuitiv – einfach Songs gemacht, die uns wichtig waren. Erst später haben wir gemerkt: Das reicht für ein Album. Dann haben wir gemeinsam mit Beray Habip daran gearbeitet und die Songs „studiofertig“ gemacht.

Beim zweiten Album war das anders: Wir hatten diesmal von Anfang an ein Konzept. Die Songs sollten zusammen ein Album ergeben – das war der Ausgangspunkt. Der Druck war auch größer, weil das erste Album so gut angekommen war. Gleichzeitig hat sich unser Alltag verändert – Arbeit, Beziehungen, Verantwortung.

Malte hat in der Zeit viele Songs geschrieben, ich parallel dazu die Texte. Zusammengesetzt wurde das Ganze fast erst zwei Wochen vor Studiostart – wieder mit Beray. Es war chaotisch, aber auch aufregend. Und wir sind froh, dass wir das trotzdem geschafft und ein Album daraus gemacht haben.

Wie entstehen eure Songs und was inspiriert eure Texte?

Ganz unterschiedlich. Manchmal ist zuerst ein Text da, manchmal ein Riff oder eine Melodie. In den letzten Produktionen war es oft so, dass Malte viele Demos gebaut hat und ich mich dann an die Texte gemacht habe. Ich lasse mich dabei stark von der Stimmung der Instrumentals leiten – oft entstehen daraus direkt Bilder oder Geschichten im Kopf.

Thematisch geht’s viel um meine Gedanken, mein Handeln – um Selbstreflexion, um Zweifel und Erkenntnisse. Wenn wir die Texte und Songs dann zusammenführen – meistens bei Malte im Studio – arbeiten wir gemeinsam an den Arrangements. Später bringt die ganze Band ihre Ideen ein – entweder im Proberaum oder im Studio.

Hattet ihr von Anfang an eine klare Vision oder hat sich das entwickelt?

Ich glaube, eine richtige „Vision“ hatten wir nie. Zumindest nicht am Anfang. Wir wussten, worauf wir Lust haben – und worauf nicht. Oft war es eher so, dass wir uns selbst überrascht haben.

Manchmal startet man mit einer Idee und landet ganz woanders – aber das ist oft der spannendste Teil. Wir schreiben das, was sich für uns richtig anfühlt. Dass dabei ein ungewöhnlicher Mix entsteht, liegt auch daran, dass wir alle aus unterschiedlichen Richtungen kommen. Und genau das macht es für uns interessant.

Wie nehmt ihr die aktuelle deutsche Metal- bzw. Alternativszene wahr?

Wir fühlen uns da auf jeden Fall wohl – auch wenn wir selbst nicht klassisch aus der Metal- oder Alternativszene kommen. Elemente beider Genres tauchen in unserer Musik trotzdem immer wieder auf.

Die Szene ist sehr offen und herzlich. Wir begegnen immer wieder Menschen, die uns supporten – teilweise seit Jahren. Gerade im Metalbereich finde ich’s immer wieder faszinierend, wie liebevoll und respektvoll das Miteinander ist – auch wenn die Leute optisch erst mal „gefährlich“ wirken. Und wir hören oft den Satz: „Normalerweise hör ich sowas nicht, aber …“ – das freut uns natürlich riesig. Genau das zeigt, wie spannend Musik sein kann, wenn man Genres mischt.

Was war euer bisher emotionalster / schönster / lustigster Moment auf der Bühne?

Da gäbe es viele – aber wenn ich einen nennen müsste: unsere allererste eigene Show auf der Headline-Tour im Oktober 2024. Wir hatten vorher schon viele Gigs gespielt – Festivals, Supportshows – aber das war zum ersten Mal wirklich unsere Show. Und das hat sich unfassbar gut angefühlt.

Zu sehen, dass so viele Menschen in unterschiedlichen Städten kommen, um unsere Musik zu hören – das war überwältigend. Mit den Leuten zu sprechen, Gesichter zu sehen, die sonst nur Likes oder Kommentare sind – das war richtig schön. Wir sind sehr dankbar für diesen Moment. Und wir freuen uns jetzt schon wahnsinnig auf die nächste Tour im Oktober 2025!

Was können eure Fans denn in Zukunft von euch erwarten?

Auf jeden Fall neue Musik. Viele Shows. Viele neue Ideen. Wir haben aktuell richtig Bock, weiterzumachen, und ein paar Dinge sind auch schon in Planung.

Als Nächstes steht unsere Co-Headliner-Tour mit Kind Kaputt an – Start ist am 03.10.2025 im ClubCANN in Stuttgart. Wir sind gespannt, was sonst noch kommt, was wir noch ausprobieren wollen – und wohin sich Sperling in den nächsten Jahren entwickelt.

 

Das Interview führte Marcel für rock-journal.de – Foto: Kingstar / Luca Vasi